„Eine riesen Herausforderung“, so bezeichnete ein Freund von mir kürzlich sein neues Projekt. Er geht auf Wohnungssuche im Umkreis. Mit Umkreis meint er damit die Städte Ulm und Neu-Ulm. Er meinte, er sei jetzt in einem Alter, in dem man ruhig mal sein eigenes Leben führen kann. Bislang lebt er noch bei seinen Eltern. Doch diese Situation wird ihm immer unangenehmer. Zwar funktioniere alles zu Hause, meinte er. Doch das Zusammenleben gestaltet sich zunehmend schwieriger. Er hat seinen eigenen Kopf, sein Vater ebenfalls. Und immer häufiger geraten die beiden aneinander. Obwohl es meist um Kleinkram geht, nichts Wichtiges. Er und hat mir gegenüber erwähnt, dass er sich zunehmend schämt, noch zu Hause zu wohnen. In unserem Freundeskreis sind einige bereits vielen Jahren von zu Hause ausgezogen. Manche bauen sogar schon ein Haus. Zwar außerhalb vom Städtischen Bereich, aber immerhin.
Ich kann seine Beweggründe nachvollziehen. Auch ich kenne den Wunsch nach Selbständigkeit. Der Wunsch, in den eigenen vier Wänden zu wohnen, auch wenn sie nur gemietet sind.
Er erzählt mir von seinen ersten Erfahrungen auf dem Wohnungsmarkt. Er startete seine Wohnungssuche auf diverse Internetseiten. Im Landkreis Neu-Ulm, stehen ihm 42 Treffer zur Verfügung, in der Stadt Neu-Ulm nur noch 23 Treffer. Die Suche nach Wohnungen in Neu-Ulm mit einem Radius von 5 km, welche dann die Stadt Ulm mit einbezieht, ergab 67 Treffer. Sehr Optimistisch stürzte er sich in die Detailreichen Angebote. Sehr schnelle stellte er fest, dass es zwar einige Angebote gab, die meisten davon allerdings ausschieden. Entweder waren die Wohnungsangebote viel zu teuer, oder gleich so unattraktiv, dass er dort nicht mal nur übergangsweise wohnen möchte. Er ließ sich nicht entmutigen und fand nach langer Suche drei geeignete Wohnungen. Er schrieb die Makler an und vereinbarte Termine.
„Stink sauer bin ich“, erzählte er mir bei unserem Gespräch, direkt nach den Besichtigungsterminen. „Ich bin so sauer! Nicht auf die Makler, die haben einen guten Job gemacht. Sondern auf mich!“ sagte er. Ich fragte ihn weshalb er auf sich sauer sei. Er glaubte, die Wohnungssuche würde erfolgreicher für ihn verlaufen. Aber genau das umgekehrte passierte. Er war frustriert und ihm wurde gleich zu Beginn seines neuen Lebensprojektes eines bewusst, erzählte er mir. „Ich habe das erste Mal in meinem Leben gespürt, dass ich zur unteren Hälfte der Gesellschaft gehöre. Ich dachte immer, dass ich normal aufgewachsen bin, in einer mittelständischen Familie. Ich habe einen normalen Schulweg bestritten. Klar, ich war nie ein Musterschüler, wer ist das schon. Aber ich war auch nicht der Dümmste. Ich habe einen rechtschaffenen Beruf gelernt und gehe jede Woche 40 Stunden arbeiten. Überstunden kommen auch ab und an mit dazu. Ich habe mich nie vor Arbeit gescheut. Jetzt bin ich an einem Punkt angekommen, an dem ich merke, dass meine Bemühungen, im Leben klar zu kommen, nichts wert sind.“
Was soll man dazu sagen. Mit einem Einkommen von rund 1.600€ netto konnte er seinen Lebensunterhalt locker bestreiten. Er musste bisher auch keine Miete bezahlen. Doch das Leben in den eigenen vier Wänden wird um ein Vielfaches teurer, wenn die monatliche Miete zu zahlen ist. Als Single ist diese Hürde kaum zu bewältigen. Fast 1000€ pro Monat sind derzeit fällig, wenn sich jemand eine hübsche Singlewohnung in Ulm oder Neu-Ulm leisten möchte. Hinzu kommen Ausgaben für Versicherungen, wie die private Altersvorsorge laufende Kosten für einen Handyvertrag, den ohne Mobiltelefon ist man heutzutage ohnehin aufgeschmissen. Kosten für ein Fitnessstudio und vieles Mehr. Essen, Trinken und ab und an sich mit Freunden treffen gehört ebenso zum Leben mit dazu. Doch mit den verbleibenden 600 € pro Monat, da kommt man nicht weit.
Die 2015 veröffentlichte Wohnungsmarktprognose 2030 des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung sagt für die bayerischen Metropolregionen steigende Wohnflächennachfragen von z.T. über 10 Prozent bis 2030 voraus.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen braucht es einen Staat, der fähig und willens ist, zum Wohle seiner Bewohnerinnen und Bewohner regulierend in den bayerischen Wohnungsmarkt einzugreifen: einen Staat also, der es sich zum Ziel setzt, bezahlbaren Wohnraum für alle zu schaffen, der Bautätigkeit fördert, Kommunen wirkungsvoll unterstützt und eine Wohnungspolitik betreibt, die sich der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet fühlt!
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